Zum Inhalt springen

Bericht des Dombaumeisters 2023

Wenn in der Vorweihnachtszeit der Stephansplatz von unzähligen Menschen besucht wird, achten diese meist weniger auf den Dom, der den Platz mit seiner Schönheit und seinen liebevoll gestalteten Details prägt, sondern eher auf ihre Einkäufe und die Geselligkeit an den jahreszeitlich typischen Punschständen.

Dass unser Steffl so gut erhalten ist, ist – neben der Kunst der Baumeister und Steinmetze, die ihn gebaut haben – auch der ständigen Pflege durch die Spezialisten der Dombauhütte zu verdanken. Ich möchte hier einen kurzen Bericht über die Arbeiten des heurigen Jahres geben.

SÜDTURM

Ende letzten Jahres wurde das Gerüst auch auf der Ostseite des Südturmes zurückgebaut und reicht jetzt nur mehr ungefähr bis zur Höhe des Chorgesimses (ca. 25 m). Da der südöstliche Strebepfeiler des Turmes auch zur aktuellen Baustelle gehört, reicht es auch noch ein kleines Stück auf die Südseite

des Turmes, und so ist ein kleiner Teil des Gerüstes noch vom Stephansplatz her zu sehen.

Ein neu eingerüsteter Bauteil am Südturm ist die Portalvorhalle am sogenannten Primtor. Dieser Teil des Gerüstes ragt aber nur bis in zehn Meter Höhe.

Hier handelt es sich um die drei Torbögen zur Vorhalle und die bekrönende Galerie mit ihren zierlichen Fialen, welche die Pfeiler nach oben abschließen. Die Oberfläche wird gereinigt, Fugen erneuert und Abplatzungen geschlossen. Auch hier sind – wie an der Westfassade – noch Reste einer kyrillischen Schablonenschrift aus der unmittelbaren Nachkriegszeit zu erkennen, die darauf hinweisen sollten, dass der Dom frei von Minen und Scharfschützen sei.

Die bekrönenden zierlichen Fialen werden ausgebessert, die unzähligen Krabben gesichert und gegebenenfalls erneuert.

Die Arbeiten an der Ostseite wandern sukzessive von oben nach unten. Am spektakulärsten sind die Arbeiten an den riesigen Figurentabernakeln mit ihren Bekrönungen. Sie dienen dazu, die Verbreiterungen der Strebepfeiler nach unten optisch zu gestalten: Die Pfeiler sind in luftige Baldachine mit dünnen Säulen und zierlichen Maßwerken aufgelöst. In den Baldachinen sind Skulpturen aufgestellt. Diese verschönern und bereichern die Erscheinung. Die Verbindung von leichter Architektur und großen Massen, die auf ihr lasten, wurden von den mittelalterlichen Baumeistern auf bewundernswerte Weise gelöst, ist aber naturgemäß anfällig für Setzungen, Erosion und Abplatzungen. Die Nischenarchitektur wurde daher sorgfältig überprüft, kaputte Teile repariert oder erneuert, die Fugen geschlossen und vor allem die durch Metallzapfen stabilisierten Verbindungen der Maßwerke erneuert. Damit können der Bestand und die Sicherheit dieser schönen Bauteile auch für die Zukunft gewährleistet werden.

Eine Arbeit, die nicht von der Dombauhütte durchgeführt wurde, aber doch mit dem Dom und den Erhaltungsmaßnahmen zusammenhängt, war die Fertigstellung der Neupflasterung um den Dom: In der Ecke zwischen Südturm und Sakristei stand, als das Pflaster am Stephansplatz erneuert wurde, noch das Gerüst für die Restaurierung des Südturmes. Die Arbeiten konnten daher an dieser Stelle nicht ausgeführt werden, und erst jetzt, nachdem das Gerüst an dieser Stelle abgebaut worden war, konnte das Pflaster fertiggestellt werden.

NORDFASSADE

Eine weniger exponierte Baustelle ist die Nordfassade des Langhauses. Hier werden die Reinigungsarbeiten weitergeführt und vor allem die dicken schwarzen Krusten entfernt. Risse, Sprünge und Fehlstellen können sukzessive repariert werden. Erst nach der Reinigung tritt das Ausmaß der Schäden in seinem wirklichen Umfang hervor, und es kann über die weitere Behandlung entschieden werden. Die Stücke oder diejenigen Teile, die ausgetauscht werden müssen, können nun genau vermessen und auf dieser Grundlage die Schablonen gezeichnet werden, damit die Steinmetze im Winterin der Werkstatt die Kopien anfertigen können.

Eine Quelle für Schäden und Ursache für verstärkte Reinigungsarbeiten ist der stark zunehmende Bestand an Tauben, die in den letzten Jahren vermehrt gefüttert werden. Sie sind nicht nur eine Quelle von Ungeziefer und möglichen Krankheiten, wenn sie in und an den Gerüsten nisten, sie verschmutzen auch Pflaster und die Zierate am Dom und verursachen mit ihren scharfen Ausscheidungen auch dauerhafte Schäden am Stein. Tauben, die sich im Stadtbereich natürlich ernähren können, wären keine große Gefahr und Belästigung. Die nicht artgerechte Fütterung wohlmeinender Menschen vergrößert aber den Bestand und verursacht auch den Vögeln gesundheitliche Probleme, was wiederum die Verschmutzung weiter erhöht. Und leider fühlen sie sich in den Bereichen am wohlsten, die am feinsten ausgearbeitet sind und daher den besten Unterschlupf bieten.

STRAUB’SCHE NISCHE

Heuer wurden die Arbeiten an der letzten noch unrestaurierten Nische des Chores begonnen. Sie wird dominiert vom Relief des „Abschieds Jesu von seiner Mutter“. Diese Darstellung entstammt nicht der Bibel, sondern versucht die Trauer der Mutter über das bevorstehende Martyrium des Sohnes darzustellen. In sieben Medaillons, die das Mittelbild umgeben, sind Szenen aus dem Leben Jesu dargestellt, und zwar eher schmerzhafte Ereignisse – später als die sieben Schmerzen Mariens bezeichnet. Wegen der Bodennähe und leichten Zugänglichkeit sind vor allem die unteren Teile schon häufig restauriert worden. Die Herausforderungen sind daher vielfältig: Verschmutzungen werden unter anderem mit Ultraschall und Laser gereinigt. Ältere Ergänzungen wurden mit Zement ausgeführt, um – vermeintlich – die Haltbarkeit zu erhöhen, sie mussten schließlich entfernt werden. Lose Teile wurden abgenommen, um sie mit unschädlichen Methoden wieder zu befestigen. Zementfugen wurden durch Kalkmörtel ergänzt, rostgefährdete Eisenzapfen durch rostfreie ersetzt und Risse geschlossen. Die Arbeiten werden nächstes Jahr abgeschlossen sein.

LANGHAUSFIGUREN

Das Langzeitprojekt der Restaurierung der Figuren im Inneren des Domes ging an der Südwand des Langhauses weiter. Dieses Jahr wurde die Dreiergruppe am ersten Wandpfeiler (A3) restauriert. An der Westseite ist der hl. Christophorus dargestellt, eine Holzfigur aus dem 15. Jahrhundert, an der Ostseite die Steinfigur eines nicht genau bestimmbaren Bischofs, darüber in der Mitte ein Engel mit auffälligem Lockenhaar. Alle Skulpturen waren stark verschmutzt. Vor allem die Steinfiguren sind an ihrer Oberfläche verändert worden. Die ursprüngliche farbige Bemalung ist im Lauf der Zeit abgefallen oder auch bei früheren Überarbeitungen beitungen – in der irrigen Meinung, dass es sich um spätere Zutaten gehandelt hätte – abgenommen worden. Bei der aktuellen Restaurierung wurde nicht ersucht, die Erscheinung wesentlich zu verändern. Nach der Reinigung wurden Schäden beseitigt, lose Teile gefestigt und durch behutsame Retusche versucht, eine möglichst geschlossene Oberfläche und Erscheinung zu erreichen.

BELEUCHTUNG

Die Beleuchtung des Domes wurde in den letzten Jahren fast vollständig erneuert, die alten Leuchtmittel durch energiesparende LEDs ersetzt, die eine angenehme warme Lichtfarbe haben. Damit konnte der Raum des Domes auch in den Abendstunden gut erlebbar und die vielen Details sowohl bei Dunkelheit als auch bei Tageslicht erkennbar gemacht werden. Je nach Anlass und Tageszeit gibt es definierte Beleuchtungsszenen, um eine dem jeweiligen Anlass entsprechende Beleuchtung bei größtmöglicher Sparsamkeit zu erreichen. Die neue Beleuchtung, designt vom Wiener Beleuchtungsatelier PodPod, hat internationale Beachtung erfahren und den Deutschen Lichtdesign- Preis erhalten. Nun wurden auch drei Kapellen mit diesem System und Design ausgestattet. Die Eligiuskapelle und die Prinz-Eugen-Kapelle im Westwerk sowie die Taufkapelle im Südturm sind nun neu beleuchtet, und damit kann ihre Architektur und Ausstattung von Besuchern gut wahrgenommen werden.

Eine andere technische Erneuerung Betrifft die Sicherheit des Domes. Nach dem Brand von Notre-Dame in Paris sind die Überlegungen zum Brandschutz in Kirchen befeuert worden. Die Gefahr ist im Stephansdom nicht sehr hoch, da sich der Brand im mittelalterlichen Dachboden – dem Bauteil mit der größten Brandgefahr – schon 1945 ereignet hat und beim Wiederaufbau die Minimierung der Brandgefahr einen hohen Stellenwert genoss. Die Betondecke, die über den Gewölben eingezogen worden war, trennt brandtechnisch Dachboden und Kirchenraum, die Stahlkonstruktion des Daches bietet nur wenig brennbares Material.

Eine große Brandkatastrophe ist beim Stephansdom daher sehr unwahrscheinlich. Aber auch ein kleinerer Brand würde große Schäden hervorrufen, das Kulturgut unwiederbringlich vernichten und jedenfalls enorme Kosten verursachen. Andererseits sind konventionelle Brandmelder beim Gebrauch von Kerzen und Weihrauch, wie im Dom üblich, sehr fehleranfällig und bei der Größe und Höhe des Raumes unzuverlässig. Die Brandmeldeanlage im Dach des Domes saugt Luft aus dem umgebenden Raum an und kann daher Rauch und damit einen Brand frühzeitig erkennen. Mit dem Abschluss der Arbeiten kann die Sicherheit für St. Stephan erhöht werden. Wir hoffen natürlich, dass die Brandmeldeanlage ihre Zuverlässigkeit nie unter Beweis stellen muss.

SINGERTOR

Über die kunsthistorische Bedeutung des Singertores ist in dieser Zeitschrift schon öfter berichtet worden. Dieses Kunstwerk von europaweiter Bedeutung konnte in den letzten Jahren Restauriert und von der Nutzung als Lagerraum befreit werden. Bisher war die Vorhalle aber nur vom Dom aus zugänglich und von außen mit schweren Toren verschlossen. Damit dieses Portal auch von außen gesehen werden kann und erkennbar ist, wurde eine Tür durch eine Glastür ersetzt. Dadurch wird auch die unwahrscheinliche Leichtigkeit der Architektur sichtbar. Vor allem in den Abendstunden können so die Skulpturen und Reliefs im Inneren gut gesehen werden. Nach dem Abbau der Hütten des Weihnachtsmarktes kann es auch von außen besucht werden und wird zum Verkauf von Konzertkarten und für die Information von Besuchern genutzt werden können.

BARTHOLOMÄUSKAPELLE

Die Glasfenster der Bartholomäuskapelle im Westwerk von St. Stephan, die aus dem 14. Jahrhundert stammen, wurden im 19. Jahrhundert ausgebaut und an das Wien Museum und das Museum für angewandte Kunst abgegeben. Die wichtigsten sind vom Wien Museum an den Stephansdom zurückgegeben worden und können nun bei Führungen am Originalort im Originalzusammenhang besichtigt werden. Viele Kunstwerke aus dem Dom, die im 19. Jahrhundert durch Kopien ersetzt werden mussten, sind ab dem 6. Dezember 2023 wieder im Wien Museum zu sehen.

RESÜMEE

Auch wenn wir heuer keinen großen Bauabschnitt abschließen konnten – wie in den letzten Jahren die Südfassade – wurde sorgfältig und mit großem Einsatz am Stephansdom gearbeitet, um ihn zu erhalten, schöner zu gestalten und seinen Bestand langfristig zu sichern. Für Ihre Unterstützung möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

Cover Vereinszeitung 142/2023 - Bericht des Dombaumeisters, Dr. Günter Geyer im Interview, Die Imker am Domdach, Dipl. Ing. Walter Ruck im Interview, UR-DOM-WISSEN

Sie können diese Ausgabe auch direkt hier durchblättern oder herunterladen und auf Ihrem Gerät bequem lesen!

AUS UNSREM SHOP
AUS UNSREM SHOP

DVD: Abduction into the unknown St.Stephen`s Cathedral

DER DOM
DER DOM

Der Wiener Stephansdom steht für Vieles: Er ist ein weltberühmtes Kulturgut und ein Bauwerk, das international keine Vergleiche zu scheuen braucht.

Spenden und helfen

Spenden steht auch für helfen! Jeder kann helfen, auf unterschiedlichste Art und Weise.