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UR-DOM-WISSEN VERMESSUNGSPLATTE – KUNSTWERK DES QUARTALS

Vereinszeitung Unser Stephansdom 137, September 2022, Titel: Vermessungsplatte

In der Mitte der Halle des Südturmes ist in das regelmäßige rot-beige Quadratmuster des Pflasters eine größere, gravierte und beschriftete Kalksteinplatte eingelassen, die an die Vermessung weiter Teile des Kaisertums Österreich in den Jahren 1824–60 erinnert. Diese Vermessung ist auch heute noch eine wichtige Quelle zur Beilegung von Grundstücksstreitigkeiten, und sie liefert mit ihren 53.000 Blättern allein für das heutige Österreich ein gutes Bild der Bebauung und Besiedelung Österreichs vor ca. 200 Jahren.


Die Pläne wurden im Grundmaßstab von 1:2880 gezeichnet (in Sonderfällen auch genauer mit 1 : 1440 oder 1 : 720, oder gröber mit 1 : 5760).
Dieser Maßstab ergibt sich aus den alten Maßen Zoll und Klafter, die bis 1873 in Österreich gültig waren, wobei 1 Klafter 6 Fuß (damit 72 Zoll) lang ist. Den Maßstab wählte man so, dass 1 Zoll in der Zeichnung 40 Klaftern (oder 100 Schritt) in der Natur entsprach, was zu dem ungeraden Verhältnis von 1:2880 führte. Eine weitere Angabe, die von den heutigen Standards abweicht, ist die Angabe des Messpunktes mit 34°02‘27“32 östlich von Ferro. Anders als Breitengrade (die den Abstand zum Äquator nach Norden angeben), die durch die Erdachse vorgegeben sind, sind die Längengrade (also die Position in westlicher oder östlicher Richtung) willkürlich festgelegt. Je nach der Herkunft des Kartenzeichners wurde der Meridian durch seinen Heimatort als Nullmeridian definiert (London oder Paris oder sogar Klosterneuburg, wie in einer Weltkarte von 1421), der heute gültige Nullmeridian von Greenwich bei London wurde erst 1884 weltweit anerkannt. In der Antike waren die Kanarischen Inseln die westlichsten bekannten Punkte der Erde, und auch in der Neuzeit (nachdem man westlich davon die Neue Welt entdeckt hatte) blieb „Ferro“, heute „El Hierro“, die westlichste der Inseln, die Referenz zur Vermessung der Erde, die – frei von nationalen Präferenzen – zumindest für Europa ein „natürlicher“ Fixpunkt war.
Dass sich der Ausgangspunkt der Vermessung Österreichs gerade unter der Spitze des Südturms befindet, ist nicht verwunderlich: Wegen seiner Höhe und Sichtbarkeit war er ein guter Vermessungspunkt, und darüber hinaus ist er noch immer ein guter ideeller Bezugspunkt für die österreichischen Landkarten.

Cover der Zeitung 137, August 2022 Titel: Hoffnungsgedanken

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