UR-DOM-WISSEN – KUNSTWERK DES QUARTALS 144
Frauenaltar – Maria in der Sonne
Von der Fülle an mittelalterlichen Altären ist im Dom kaum etwas übrig geblieben. Der einzige große gotische Flügelaltar, der Wiener Neustädter Altar, kam erst 1884 in den Dom und 1952 an seinen heutigen Ort. Die barocken Altäre sind aber nicht alle so einheitlich, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.
Der Frauenaltar an der nördlichen Seite des Langhauses wurde 1699 nach einem Entwurf von Matthias Steinl, dessen bekannteste Werke die barocken Türme von Stift Zwettl und Dürnstein sind, errichtet. Der Grundaufbau entspricht dem Gegenstück auf der Südseite, dem Josefsaltar.
Der Säulenaufbau ist mit vielen Skulpturen ausgestattet: in der unteren Zone die beiden Apostel Judas Thaddäus und Simon (deren Altar hier ursprünglich stand) sowie zwei Engel.
Im Bereich über dem Gebälk ist in der Mitte Gott Vater mit dem Heiligen Geist abgebildet, darüber ein von einem Putto gehaltenes Schriftband mit dem Text „Mater admirabilis“, also „Wunderbare Mutter“. Seitlich Johannes der Täufer und ein nicht näher bestimmbarer Bischof.
Das Zentrum bildet das Bild der Madonna mit dem Kind, die von Engeln gekrönt wird und auf der Mondsichel steht. Dieses Bild wurde schon 1493 in den Dom gebracht. Es wurde nach einem Stich von Martin Schongauer gemalt. Unten wurde die Stifterfamilie, deren Namen nicht überliefert ist, hinzugefügt. Diese Darstellung beruht zum Teil auf der Schilderung in der Apokalypse von der Frau, die mit der Sonne bekleidet ist und die Schlange besiegt. Hier ist aber Maria schon mit dem Jesuskind abgebildet und hat also – im Gegensatz zur Schilderung in der Apokalypse – schon geboren.
Die Darstellung der Sonnenstrahlen ist besonders eindrucksvoll. Der Hintergrund ist nicht einfach vergoldet, sondern plastisch gestaltet, die Sonnenstrahlen züngeln richtiggehend hinter Maria hervor. Es war im Mittelalter sehr verbreitet, den Goldgrund reliefartig zu gestalten, meist aber waren es ornamentale, an Brokatstoffe angelehnte Muster.